Ergebnis der Tarifvertragsverhandlungen mit Spannung erwartet

1.Rechtliche Vorgaben

Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.03.2016 sind die Tarifvertragsparteien erneut aufgefordert, eine verfassungskonforme Regelung der Transfervorschriften/Startgutschriften herbeizuführen.

Die eingeführte Vergleichsbetrachtung mit dem Unverfallbarkeitsfaktor nach § 2 Abs. 1 BetrAVG  war von der Rechtsprechung als gleichheitswidrig erkannt, weil dieser nach § 79 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hierbei um 7,5 Prozentpunkte zu vermindern ist. Der pauschale Abzug von 7,5 Prozentpunkten im Rahmen der Vergleichsberechnung führte dazu, dass zahlreiche Versicherte von einer maximal erreichbaren Vollrente ohne ausreichenden sachlichen Grund von vornherein ausgeschlossen sind.

Der Bundesgerichtshof hat deshalb gerügt, dass insbesondere sogenannte berufliche Späteinsteiger unter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebotes nach Artikel 3 GG verfassungswidrig behandelt würden.

Die sich aus dem Abzug von 7,5 Prozentpunkten ergebende Altersgrenze führe dazu, dass Arbeitnehmer, die nach ihrem Schulabschluss zügig die für den Eintritt in den öffentlichen Dienst erforderliche Ausbildung oder ein dafür erforderliches Studium absolvieren und nach einer durchschnittlichen Ausbildungsdauer in den öffentlichen Dienst eintreten, von einem Zuschlag zur Startgutschrift von vorneherein ausgeschlossen bleiben.

 

2. Die von den Tarifparteien genannten Lösungsalternativen

Vor diesem Hintergrund sehen die Tarifvertragsparteien nach eigenen Angaben im Wesentlichen zwei Optionen, diesen Sachverhalt einer Lösung zuzuführen:

 

Zum einen sei die durch den Bundesgerichtshof  kritisierte Pauschalkürzung von 7,5% zu hinterfragen.

Zum anderen könne eine Lösung darin bestehen, den Berechnungsfaktor zur Ermittlung des Vollanspruchs von 2,25 % auf 2,5 % anzuheben.

 

Beide Lösungsoptionen seien mit bislang nicht bestimmten Mehrkosten verbunden. In den Auftaktverhandlungen im Dezember 2016 habe man sich darauf verständigt, zunächst diese Berechnungen durch die Aktuare vornehmen zu lassen. Mit ersten Ergebnissen sei Ende März 2017 zu rechnen.

 

3. Würdigung der genannten Lösungsalternativen

a)

Wir sehen die bisherigen Regelungen zur Startgutschrift nicht lediglich wegen des im Rahmen der Vergleichsberechnung eingeführten pauschalen Abzugs von 7,5 Prozentpunkten für rechtswidrig.

Vielmehr haben u. E. die in den Vorprozessen eingeholten mathematischen Berechnungen, insbesondere die sachkundigen Berechnungen von Siepe / Dr. Fischer ergeben, dass einige Altersgruppen, insbesondere Späteinsteiger, auch bei Wegfall des zusätzlichen Abzuges von 7,5 Prozentpunkten eine Vollverrentung nicht erreichen können.

Der bisherige Gleichheitsverstoß in den Regelungen zur Startgutschrift wäre deshalb bei einer solchen Lösung unseres Erachtens nicht beseitigt.

 

b)

Anderes könnte sich ergeben, wenn in den neuen Regelungen der Altersfaktor von 2,25 % auf 2,5 % angehoben würde. In diesem Falle könnte bei einer 40 jährigen Diensttätigkeit eine Vollverrentung erreicht werden, was wohl einen tolerablen Rahmen bilden könnte.

Eine solche Regelung wäre mit einer Erhöhung der Rentenanwartschaften aller Pflichtversicherten verbunden. Wir würden dies für sachgerecht erachten. Es besteht indessen die Befürchtung, dass eine solche Regelung wegen angeblich erforderlichen Sparnotwendigkeiten nicht zustande kommt.

 

Das Landgericht Berlin hatte hierzu bereits im Urteil vom 27.03.2014 AZ 7 O 208/13 ausgeführt:

„Die Anhebung des Faktors hätte also den Ursprung des Problems beseitigt. Warum dies gleichwohl unterblieben ist, teilt Hebler (sc. Vertreter der Arbeitgeber) mit, wenn er in entwaffnender Ehrlichkeit ausführt, dass eine Erhöhung der Startgutschriften aller Versicherter „zu teuer gewesen“ wäre (ZTR 2011, 534, 535). Dies dürfte freilich kein erhebliches Argument für die Wahrung verfassungsrechtlicher Vorgaben sein.“

Wir teilen diese Auffassung.

 

4. Weitere Einwendungen

Weiterhin ist erinnerlich zu führen, dass gegen die Startgutschriftenregelung eine Vielzahl weiterer Einwendungen vorgetragen wurden.

Insbesondere ist erinnerlich zu führen, dass der Bundesgerichtshof bereits im ersten Piloturteil  vom Urteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 - die uneingeschränkte Anwendung des sogenannten Näherungsverfahrens gerügt hatte und zur Einholung eines flächendeckendes Gutachtens aufgefordert hatte.

Im Folgenden war im Streit, ob ein solches Gutachten tatsächlich eingeholt wurde – jedenfalls wurde ein solches Gutachten in den Streitverfahren nicht vorgelegt. Es bestehen deshalb große Bedenken, ob die Tarifvertragsparteien ein solches flächendeckendes Gutachten tatsächlich eingeholt haben.

Die bisherigen Regelungen zur Startgutschrift werden u. E. zu Recht  auch aus diesem Grunde angegriffen.

Der Bundesgerichtshof hat sich in seiner Entscheidung vom 09.03.2016 mit dieser und weiteren Einwendungen nicht auseinandergesetzt, da er die Startgutschriftenregelung bereits aus anderem Grunde als rechtswidrig/verfassungswidrig sah.

Die weiteren Einwendungen bestehen indessen unverändert fort. Es ist zu hoffen, dass die Tarifvertragsparteien diese Rechtsproblematik erkennen und Regelungen finden, die insgesamt Rechtsbestand habe.

 

5. Zeitliche Vorgaben

Nicht vergessen werden darf unverändert, dass die rentenfernen Versicherten seit 01.01.2002, somit nunmehr seit über 15 Jahren, auf eine verfassungskonforme Transferregelung ihrer Rentenanwartschaften nach der Systemumstellung warten.

Es muss deshalb unverändert erwartet werden, dass verfassungskonforme Regelungen in diesem Jahr zustande kommen.

Sollten die Tarifvertragsparteien nochmals keine rechtmäßigen Regelungen herbeiführen, wären u. E. die Gerichte gehalten, unter Berücksichtigung des Rechtsanspruchs der Versicherten auf eine Justizgewähr neue Regelungen zu bestimmen.

Ein nochmaliges jahrelanges Zuwarten wäre unseres Erachtens für die Versicherten gänzlich unzumutbar und würde unsere Erachtens rechtsstaatliche Grundsätze verletzen.

Die Verhandlungen sollen am 24. April 2017 in Berlin fortgesetzt werden.

Wir lassen die Verhandlungen beobachten und werden von den Ergebnissen baldmöglichst berichten.

 

Karlsruhe, den 20.04.2017

Valentin Heckert
Rechtsanwalt

 

Rechtsanwälte Valentin Heckert, Harriet Schäfer-Heckert,
Wolfgang Andreas Klohe, Evelyn Wettstein, Martin Blaszczak, Matthias Müller

Kanzlei Rechtsanwälte Heckert & Kollegen

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