Ergebnisse der Tarifvertragsverhandlungen nur teilweise befriedigend

1. Teilweise Erhöhung des Anteilssatzes

Die Tarifparteien haben mitgeteilt, dass sie sich am 08.06.2017 auf eine Neuberechnung der Startgutschriften für die Zusatzversorgung geeinigt hätten.

Im Kern sehe die vereinbarte Neufassung vor, bei Anwendung der Berechnungsvorgaben des § 18 Abs. 2 BetrAVG den bisher vorgesehenen Anteilssatz/Altersfaktor teilweise von 2,25 % auf 2,5 % pro Jahr zu erhöhen.

Der Anteilssatz von 2,5 % greife indessen lediglich für rentenferne Versicherte ab einem Eintrittsalter von 25 Jahren.

Für Früheinsteiger vor dem 25sten Lebensjahr erfolgen Abschläge bis zu einem Mindestanteilssatz von 2,25 %.

 

Die VBL unterrichtet hierzu im Einzelnen:

 "Bisher erhielt jeder rentenferne Versicherte pro Jahr der Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung einen Anteil von 2,25 Prozent der für ihn ermittelten höchstmöglichen Voll-Leistung. Nach der Neuregelung soll dieser Faktor in Abhängigkeit vom Beginn der Pflichtversicherung verändert werden. Zur Berechnung des neuen Faktors wird zunächst die Zeit vom erstmaligen Beginn der Pflichtversicherung bis zum Ende des Monats ermittelt, in dem das 65. Lebensjahr vollendet wird. Anschließend werden 100 Prozent durch diese Zeit in Jahren geteilt (100 Prozent / Zeit in Jahren). So erhält man den neuen Faktor als Prozentwert, der zur Ermittlung der anteiligen Voll-Leistung maßgebend ist. War ein Versicherter beispielsweise 23 Jahre alt, als er erstmals im öffentlichen Dienst beschäftigt wurde, erhält er für jedes Versicherungsjahr 2,38 Prozent seiner Voll-Leistung. Der Faktor beträgt mindestens 2,25 und höchstens 2,5 Prozent pro Pflichtversicherungsjahr."

 

2. Möglicher erneuter Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG

Die Tarifvertragsparteien teilen mit, dass nach den durchgeführten Berechnungen bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) im Abrechnungsverband (AV) West mehr als 50 % und im Abrechnungsverband Ost mehr als 80 % der Versicherten eine höhere Startgutschrift erhalten bei einer durchschnittlichen Steigerung von 3,5 % im AV West bzw. 9,8 % im AV Ost gegenüber dem Vergleichsmodell von 2011.

Für den Bereich der kommunalen Kassen soll nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e.V. (AKA) für etwa 41 % der Versicherten von höheren Startgutschriften bei einer durchschnittlichen Steigerung von knapp 2,7 % auszugehen sein.

Für rentenfern Versicherte ab einem Eintrittsalter von 25 Jahren bedeutet dies sicherlich einen erfreulichen Zuschlag.

Mit der Anhebung des Anteilsatzes folgen die Tarifparteien einer Forderung, die wir bereits in den von unserer Rechtsanwaltssozietät geführten Rechtsverfahren sowie zuletzt in unserem Blogbeitrag vom 20.04.2017 in Anlehnung an die Ausführungen des Landgerichts Berlin mit Urteil vom 25.03.2014 gestellt hatten.

 

Außerordentlich zu bedauern ist indessen, dass die Erhöhung des jährlichen Anteilssatzes nicht einheitlich für alle rentenfern Versicherte erfolgt, wie es das Landgericht Berlin bereits vor Jahren zu Vermeidung eines Verstoßes gegen das Gelichbehandlungsgebot nachdrücklich angeregt hat.

Im Umkehrschluss bedeutet die neue Regelung nämlich, dass nach den durchgeführten Berechnungen bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) im Abrechnungsverband (AV) West knapp 50 % und im Abrechnungsverband Ost knapp 20 % der rentenfern Versicherten keine höhere Startgutschrift erhalten sollen,

im Bereich der der kommunalen etwa 59 % der Versicherten.

Ob eine solche Regelung dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG Genüge leistet, kann als mehr als problematisch angesehen werden.

 

3. Weitere Einwendungen

Zu bedauern ist weiterhin, dass die Tarifparteien ersichtlich weitere erhebliche Einwendungen gegen die Startgutschriftenregelungen unverändert nicht abgeholfen haben.

Entgegen der unveränderten Aufforderung des Bundesgerichtshofs fehlt eine gehörige Überprüfung der uneingeschränkten Anwendung des sogenannten Näherungsverfahrens.

Problematisch bleibt auch der Wegfall der Rentendynamik ebenso wie die Nichtwahrung der Mindestrente.

 

4. Weiteres Vorgehen

Vorab ist zu sehen, dass in der Tarifeinigung eine Erklärungsfrist bis zum 30. November 2017 vereinbart wurde. Die vorgesehenen neuen Regelungen müssen deshalb vorab erst von den Spitzengremien der Tarifparteien genehmigt werden.

Die Tarifvertragsparteien werden die Eckpunkte anschließend durch Änderungen der Tarifverträge ATV und ATV-K konkretisieren.

Diese tarifvertraglichen Regelungen werden sodann die Vorgaben für die VBL und die kommunalen Zusatzversorgungseinrichtungen zur Anpassung ihrer Satzungen bilden. Erst danach werden neue Bescheide ergehen.

Die Tarifparteien teilen mit, dass die Alternativberechnung dann für jeden Pflichtversicherten automatisch von der zuständigen Zusatzversorgungskasse durchgeführt werde. Sollte sich eine höhere Startgutschrift ergeben, würden die Versicherten in ihrer jährlichen Rentenauskunft informiert. Wer bereits Betriebsrente beziehe, erhalte rückwirkend zum Rentenbeginn eine Nachzahlung hinsichtlich des Startgutschriftenanteils an seiner Rente.

Es ist zu hoffen, dass die Tarifparteien sowie die Zusatzversorgungskassen für die zügige Umsetzung ihrer Ankündigungen Sorge tragen.

Mit dem Zugang neuer Bescheide wird schwerlich vor dem Frühjahr 2018 zu rechnen sein. Diese sollte sodann sorgsam rechtlich überprüft und gegebenenfalls einer erneuten prozessualen Überprüfung unterworfen werden.

Aus welchen Gründen überhaupt die Tarifparteien eine derart  langfristige Annahmefrist bis zum 30.11.2017 vereinbart haben ist angesichts dem Umstandes, dass die Versicherten seit über 15 Jahren auf eine verfassungskonforme Berechnung ihre Rentenansprüche warten, schwer verständlich und nicht sachgerecht.

 

Wir werden Sie über die weiteren Entwicklungen und weitere einschlägige Rechtsverfahren in unserem Blog weiter unterrichtet halten.

 

Karlsruhe, den 23.06.2017

Valentin Heckert
Rechtsanwalt

 

Rechtsanwälte Valentin Heckert, Harriet Schäfer-Heckert,
Wolfgang Andreas Klohe, Evelyn Wettstein, Martin Blaszczak, Matthias Müller

Kanzlei Rechtsanwälte Heckert & Kollegen

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